Loewes Kindheit & Ausbildung in Halle

Löbejün war zur Zeit der Geburt Loewes eine typische Kleinstadt, geprägt von Ackerbau, Handwerk, den königlichen Steinkohlebergwerken und den privaten Porphyr-Steinbrüchen, die wichtige Beschäftigung vor allem beim Abbau und beim Transport der Kohle und des Porphyrs boten.

Alter Kupferstich mit einer Stadtansicht

Das Schnaufen der ersten Dampfmaschine in Deutschland überhaupt, die von 1797 bis 1848 zur Wasserhaltung im nahen Bergwerk eingesetzt wurde, begleitete den jungen Loewe und beflügelte seine Phantasie ebenso wie die Erzählungen der Bergleute über die unheimlichen Steinkohleschächte und dort hausende Geister. Die morastigen Fuhne-Niederungen mit häufigem Nebel, steinige Waldschluchten am Petersberg, bevölkert mit Feen und Kobolden, die kleine Stadt mit Stadtmauer und vier Stadttoren, umgeben von Wäldern und Wiesen beeinflussten das Gemüt des jungen Loewe nachhaltig. Daneben entwickelte der Junge eine tiefe Liebe zur Natur, eine enge Vertrautheit mit Pflanzen und Tieren. Die praktische Arbeit  auf dem Feld und im Garten, aber auch die abendlichen Spaziergänge mit staunenden Blicken zum Sternenhimmel prägten das romantische Gefühlsleben des sensiblen und hochbegabten Jungen. Diese Einflüsse spiegelten sich später in vielen seiner Kompositionen wider.

Carl Loewe’s musikalische Erst-Ausbildung wurde durch seinen Vater gezielt unterstützt, der als ehemaliges Mitglied des Stadtsinge-Chores in Halle und durch seine Tätigkeit als Kantor und Organist  in Löbejün dazu wohl in der Lage war.

Die gesamte christlich geprägte Atmosphäre in seinem Elternhaus, die vom Vater zelebrierte Choral-und Kirchenmusik, das gelegentliche Geigenspiel der Mutter, das Vortragen der Balladen von Bürger durch seine fast 12 Jahre ältere Schwester Marie Rosina hatten nachhaltigen Einfluss auf das Gemüt des jungen Carl.

Der Einmarsch der napoleonischen Truppen (nach der Schlacht von Jena und Auerstedt) und die unsichere finanzielle Lage veranlassten den Vater des jungen Loewe, 1806 das Angebot des Köthener Kantors zur Aufnahme in dessen Chor mit freiem Unterricht in der Gesangskunst  anzunehmen; jedoch erfolgte dort keine wesentliche musikalische Weiterentwicklung.

Durch Zuordnung von Halle – und auch Löbejün - zum neu errichteten Königreich Westfalen und die damit scheinbare sicherere politische Lage organisierte der Vater die weitere Ausbildung seines jüngsten Sohnes in Halle, wo schon er und die beiden älteren Brüder August Friedrich und Ludolph Andreas ausgebildet wurden und auch Mitglieder des Stadtsinge-Chores waren, der der neugründeten lateinischen Hauptschule unter dem Direktor Daniel Gottlieb Türk  angegliedert war.

In dieser  Phase des Neuaufbaus wurde der junge Carl Loewe in den Chor aufgenommen, dort bestimmte er durch seine von Türk intensiv geförderten sängerischen Qualitäten das Profil des Chores für mehrere Jahre.

Auftritte des Chores und seines Solisten Carl Loewe beeindruckten 1810 König Jerome von Westfalen, so dass er Carl Loewe ein Stipendium gewährte und ihm später eine Karriere an seinem Hofe versprach. Durch dieses Stipendium widmete sich Loewe ausschließlich dem Privatstudium bei Türk.

Nach Wegfall dieses Stipendiums – Zusammenbruch der napoleonischen Macht -  und auch nach dem Tode Türks finanzierte Carl Loewe ab 1813 sein Leben vor allem aus der Verwaltung der Organisten-Stelle an der Marktkirche in Halle. Mit dem Wiedereintritt in die lateinische Hauptschule 1814 begann sein musikalischer Reifeprozess.

Sein Kompositionstalent wurde durch sein Meisterstück -  die Vertonung von Goethes Erlkönig (Op. 1) - öffentlich bekannt.  Durch seine Sangeskunst öffneten sich für den einfachen Kantors-Sohn die Türen der höheren gesellschaftlichen Kreise in Halle. Mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt Löbejün begann er 1817 mit dem Studium der Theologie an der halleschen Friedrichs-Universität, wo er am geselligen studentischen Leben insbesondere am Marx’schen Zirkel teilnahm.

Keferstein, Loewes Studienfreund, später Theologe in Jena, begleitete Loewe oft zu privaten Treffen im Hause des kunstsinnigen Prof. Ludwig Heinrich von Jakob (Kurator der Universität, Gründer der ersten Sparkasse) und erzählte 1840, dass er "noch immer mit Vergnügen an die Erscheinung eines jungen blonden Mannes ... zurückdenke, der, zumal wenn er die damals geschriebenen Balladen vortrug, Alles mit sich fortriß". Im Hause des Staatsrates von Jakob lernte Loewe dessen Tochter Julie kennen und lieben. Keferstein berichtete: "niemals habe er Mozartsche und andere Duette mit wärmeren Ausdruck vortragen hören, als von diesem in der begeisterungsvollsten Jugendliebe vereinigten Paare."

Kontakte entstanden in dieser Zeit auch zu Carl Maria von Weber.

Die Bewerbung Loewes um die Kantor-Stelle an der Jacobi-Kirche in Stettin nach Abschluss des Studiums wurde u.a. unterstützt mit Empfehlungen des Kanzlers der Universität Halle, Niemeyer. Nach Antritt der Stelle in Stettin heiratete Carl Loewe seine Julie, die jedoch kurz nach der Geburt des Sohnes Julian nach anderthalbjähriger glücklicher Ehe starb.